Die Mythen der E-Mobilität

Prof. Dr. Rainer Klein

Mythen der Elektromobilität  – Vortrag in Haßmersheim

Im Rahmen der zweiten STADTRADELN Aktion referierte Prof. Dr. Ing. Rainer Klein, Studienleiter des Studiengangs Mechatronik und Elektromobilität an der DHBW Mosbach, am 20.7.2022 im Gasthaus Ritter in Haßmersheim über die „Mythen der Elektromobilität“.

Gleich zu Beginn stellt Klein fest, dass die Entwicklung der Elektromobilität mit einem epochalen Technologiewandel vergleichbar sei wie damals die Erfindung der Dampfmaschine oder heute die Mikroelektronik. Aber Veränderungen lösen häufig auch viele Ängste aus. Gleichzeitig erlebe jeder jeden Tag aufs Neue, dass der Klimawandel existent sei, angefangen bei den Hitzewellen oder den Starkregenereignissen. Dies sei seine Motivation gewesen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, erklärte er: Wie kann der Klimawandel bekämpft, wie die Verkehrswende erreicht werden und welchen Beitrag kann jeder von uns dazu leisten?

Umfragen ergaben, dass das Wissen über diese neue Technologie bei den meisten Bürger*innen hierzulande auf Fakes und Vorurteilen beruhe. „Autos brennen“, „die Reichweite reiche nicht aus“, „Ladezeiten seien zu lange“,“ Batterien seien noch nicht ausgereift“, „es gebe  zu wenig Ladestationen, zu wenig Strom, Rohstoffproblematik und  Kinderarbeit… etc.“ Der Katalog der Einwände ist lang und Klein versucht, diesen Mythen Fakten entgegen zu halten. 

So räumt er mit dem Vorurteil, dass mit steigendem Anteil an Elektrofahrzeugen der Strom Gau drohe, auf. Im Jahr 2017 betrug die Nettostromerzeugung in Deutschland ca. 550 TWh. (Eine Terawattstunde ist 1012 Wattstunden) und davon wird bereits mehr als die Hälfte regenerativ erzeugt. Rechnet man dies um, so entstünde  ein Strommehrbedarf von 23 % (Stand 2019).

Deutschland importiert und exportiert Strom, was von den tagesaktuellen Kapazitäten abhängt, doch unter dem Strich exportiert es 51 Terawattstunden ins Ausland. Außerdem werden bei Überproduktion des Stroms zuerst die regenerativen Stromerzeuger abgeschaltet, z. B. drehen sich nachts die Windräder kaum. Windräder sind relativ einfach ein oder auszuschalten, Kohle geht langsamer, Atomkraft gar nicht. Wenn man davon ausgeht, dass die meisten E-Autos in der Nacht geladen werden, so steht dieser Strombedarf zum großen Teil schon jetzt zur Verfügung, wenn die Windräder nachts nicht mehr abgeschaltet werden.

Ein weiteres Problem sieht Klein darin, dass unsere Netze marode seien. Um sie zu erneuern und mit intelligenter Führung (smart grids) auszustatten, muss viel Geld in die Hand genommen werden.

Ein Gerücht, das sich hartnäckig hält ist, dass Elektrofahrzeuge (brand)gefährlich seien und explodieren. Dies hält Klein jedoch für einen „statistischen Blödsinn“. Jedes Jahr werden vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. 40.000 Fahrzeugbrände gemeldet. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen Fahrzeugbrand mit einem „Verbrenner-“ PKW in Deutschland ca. 110-mal größer als die Wahrscheinlichkeit für einen Brand bei einem Elektrofahrzeug.

Auch die Angst, dass es nicht genügend öffentliche Ladestationen gebe, kann mit Fakten widerlegt werden. Zum Stand Oktober 2019 gab es in Deutschland ca. 27.000 Ladestationen mit ca. 60.000 Ladepunkten. Zurzeit ist der Bedarf noch geringer als das Angebot.

Und schließlich stellt sich die Frage der Rohstoffproblematik. Eine Lithium-Ionen-Batterie besteht aus ca. 3 % Lithium. Das derzeitige Lithium-Vorkommen reicht aus bis zum Jahr 2050 um alle Batterien, nicht nur die der E-Autos, bauen zu können. Hauptlieferant ist Australien, gefolgt von Chile, Argentinien und China. Lithium aus Australien stammt aus dem Tagebergbau, in Chile und Argentinien kommt das Lithium aus den Salzseen in den Anden auf mehr als 3000 Meter Höhe. Dort wird das Lithium gewonnen, indem das Salzwasser in Salinen verdunstet. Dafür wird kein Trinkwasser verbraucht!

Kobalt dagegen ist ein Nebenprodukt der Kupferminen. In der Volksrepublik Kongo, das ca. 50 Prozent der Weltproduktion von Kobalt liefert, wird das Kupfer bzw. Kobalt im Tagebau von großen Minenbetreibern abgebaut. Daneben gibt es jedoch „Familienbetriebe“, die unter schwierigsten und gefährlichen Bedingungen illegal nach Kupfer und Kobalt suchen. Hier arbeiten auch Kinder. Das ist nicht in Ordnung und hier sollte nach Lösungen gesucht werden.

Aufgrund der vielen Fragen und Anmerkungen und einer anschließenden lebhaften Diskussion waren noch lange nicht alle „Mythen“, die Rainer Klein zusammen getragen hatte, benannt worden. Aber nach zweieinhalb Stunden war die Konzentration der Teilnehmenden in der großen Hitze und Schwüle ausgereizt.

Die Veranstalterin Anna Leischner bedankt sich bei Herrn Klein mit kleinen Präsenten für die umfassenden Informationen, dem spannenden Vortrag und die Diskussion mit den Zuschauern.

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